
Hier auf dem Wuckenhof hatte der Kunstverein sein Domizil. Foto: Ingo Rous
Schwerte. Allen Rettungsversuchen zum Trotz: Zwei Tage vor seinem 29. Geburtstag hat sich der Kunstverein Schwerte aufgelöst. Mit 30 Ja- und sechs Nein-Stimmen votierten die anwesenden Mitglieder in ihrer jüngsten Versammlung am Donnerstagabend im Wuckenhof für die Auflösung des Vereins. Als Hauptgründe nannte Vereinsvorsitzender Michael Schade die „beunruhigende“ finanzielle Situation und dass ein natürlicher Alterungsprozess auch vor den Mitgliedern des Kunstvereins nicht Halt gemacht habe. Hinzu kämen gesunkene Zuschüsse und auch, „dass es ein echtes Mäzenatentum in Schwerte nicht gibt.“
Im Vorfeld der Versammlung hatte der Verein seine gut 100 Mitglieder schriftlich davon in Kenntnis gesetzt, „dass der Vorstand in der Gesamtheit beschlossen hat, für eine weitere Wahlperiode nicht mehr zur Verfügung zu stehen.“ Noch bis zuletzt hatte es Versuche gegeben, den Verein mit einem komplett neuen Vorstand in die Zukunft zu führen. Da fruchtete auch der Vorstoß von Ex-Kulturamtsleiter Herbert Hermes in der Versammlung nicht mehr, „den Markt nach potenziellen Kandidaten abzuklopfen.“ Alles vergebens. In geheimer Wahl votierte die deutliche Mehrheit für die Vereinsauflösung.
Stehende Ovationen für Ulf Weingarten
Stehende Ovationen gab es für Ulfried Weingarten, Künstlerischer Leiter seit Vereinsgründung, ein Mann der Kultur, der dem von ihm dirigierten Kunstverein ein ebenso engagiertes wie anspruchsvolles und herausragendes Programm serviert hat. Erklärtes Ziel war, das Schwerter Publikum nicht nur mit Werken bereits renommierter Künstler bekannt zu machen, sondern auch qualifizierte, noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler vorzustellen und sie mit einer Ausstellung im Wuckenhof an der Kötterbachstraße zu fördern. Chapeau, so muss man sagen!
Ein Besuch der legendären Ausstellung „Chambres d’Amis“ von 1986 im belgischen Gent war die Initialzündung, in der Ruhrstadt einen Kunstverein ins Leben zu rufen. Mechthild Heimann und Ulf Weingarten waren es seinerzeit, die die Initiative ergriffen. Ein Jahr nach dem Tod von Joseph Beuys präsentierten sie in Schwerte als dem zweiten Ort in der Bundesrepublik die kompletten Zyklen seiner späten Druckgrafik. Die Ausstellung, die eingebettet war in Werksvorträge und Einführungen in die Gedankenwelt des deutschen Aktionskünstlers, Bildhauers, Zeichners und Professors, stieß auf ein bemerkenswert großes Echo in der Bevölkerung. An ihrem Ende fand die offizielle Gründungsversammlung statt, in der Michael Schade zum Vorsitzenden gewählt wurde. Ein Amt, das er bis zur endgültigen Auflösung des Kunstvereins innehat.
Anfang im Tante-Emma-Laden
Wer erinnert sich noch an die Anfänge des Vereins in einem ehemaligen Tante-Emma-Laden in der Kampstraße? Ein Domizil, das den Kunstfreunden seinerzeit eine lächerliche Absage des Kunstmagazins „Art“ eingebrockt hat. Als die „Macher“ der Ausstellung „Müllers Tochter“ mit Schwertes damals schon hochberühmter Tochter Rosemarie Trockel einen Berichterstatter der „Art“ eingeladen hatten, reiste der zwar gemeinsam mit einem Fotografen in die Ruhrstadt an, machte aber vor dem doch sehr hausbacken wirkenden Domizil der Kunstfreunde kehrt mit der flapsigen Bemerkung, das könne man seinen Lesern nun wirklich nicht zumuten. Heute steht die Trockel, am 13. November 1952 in Schwerte geboren, in der Weltrangliste der lebenden Künstler ganz oben.
Sag zum Abschied leise danke
Und weil das recht beengte Domizil in der Kampstraße mit der Zeit alle Ansprüche an einen arrivierten Kunstverein sprengte, entschlossen sich die Mitglieder angesichts der finanziellen und auch baulichen Herausforderungen schweren Herzens, in den Denkmal geschützten Wuckenhof im Herzen der Altstadt umzuziehen. Von Februar bis Oktober 1995 haben zahlreiche Kunstfreunde nahezu ausschließlich in Eigenarbeit und in jeder freien Stunde und Wochenende für Wochenende daran gearbeitet, das unter Schutz stehende Gemäuer umzubauen und die herunter gekommenen Räumlichkeiten des einstigen Kindergartens in eine angemessene Bühne für die Kunst zu verwandeln. Künstler von nationalem und internationalem Rang gaben seither ihr Stelldichein in Schwerte. Eine kleine Auswahl gefällig? Rune Mields, Antoni Tapies, Dorothee von Windheim, Claus Bury, Emil Schumacher, Rosemarie Trockel, Ingrid Langanke, Ivan Popovic, Kazuo Katase, Thomas Klegin … Da kann man dem Kunstverein Schwerte zum Abschied nur danke sagen!